Treffender hätte man es nicht formulieren können, was Ulrich Matthes in seiner Einführung über den diesjährigen Träger des Konrad-Wolf-Preises gesagt hat. „Immer, wenn Jürgen Holtz präsent ist, ist ein Höchstmaß an Anspruch im Raum“.
Dieses - fast scheinbar spontan gefasste - Statement von Matthes, dem Leiter der Sektion Darstellende Kunst der
Akademie, der in diesem Jahr zusammen mit Jutta Wachowiak, Jutta Hoffmann und Christian Grashof die Jury des Konrad-Wolf-Preises stellt, beschreibt mehr als nur den Mimen Holtz. Es sagt so
undenkbar viel über den kleinen verschmitzt dreinblickenden mittlerweile 82jährigen Schauspieler aus. Denn dieser hat den Preis wahrlich verdient. Und Holtz freut sich wie ein kleiner Prinz.
Durch und durch Schauspieler. So sehr, dass – als er aufrecht am seinem Stock mit Silbergriff die Bühne betritt - niemand so richtig weiß, ob nun sein kurzes Wanken am Bühnenrand echt oder der
geplant tänzelnde Ausfallschritt des mit Charme und Humor reich beschenkten Bühnenprofis ist. Denn Bühnenprofi ist er unbestritten. So sehr, dass er mit seiner Kunst in der Lage wäre, sich selbst
aus dem Sprung von der Bühne aufzufangen.
Jürgen Holtz, 1932 in Berlin geboren. Sein Vater ein Kaufmann, der ihm die Schauspielerei nie als Beruf zugedacht hatte, und sich dadurch Holtz immer in dessen Schuld fühlte. Die Mutter erkannte schon früh die Bestimmung des Sohnes als sie ihr einziges Kind beim Spiel in der dunkelsten Ecke des Wohnungsflures beobachtete. Auch sie war nicht begeistert und besiegelte das Gesehene mit dem Ausruf: „Um Gottes Willen – der Junge wird Schauspieler“. 1952 ging er aus dem Westen Berlins ans Theaterinstitut nach Weimar, das bereits ein Jahr später nach Leipzig umziehen musste. Und er zog mit. Der dort auf dem Lehrplan stehenden „Stanislawski Methodik“ konnte Holtz nichts abgewinnen. Sie war ihm zu theoretisch. Schließlich besteht die Holtz‘sche Theaterkunst darin, sein privates „Ich“ in die Kunst auf der Bühne einzubringen. Und sei es nur für den kurzen Moment des Auftritts. Das gilt für die Darstellung des in Mundart sprechenden Bayern genauso wie für seine Rolle in der ans absurde Theater grenzenden Darstellung des Jean in Strindbergs „Fräulein Julie“. Das war zusammen mit Jutta Hoffmann am Berliner Ensemble 1975. Die Aufführung geriet in der DDR zu einem Theaterskandal. Die Inszenierung wurde verboten. Sein Privatleben hingegen bleibt draußen vor. „Weil ich nicht drüber lügen will“, so Holtz. 1983 verlässt der Schauspieler den von ihm so bezeichneten „Kleingartenverein DDR“. Erfolge in München, Frankfurt, Hamburg und andernorts schließen sich an, um einige Zeit später im West-Berliner „Bürokratiesumpf“ ähnliche „Kleingeistigkeiten“ in der Theaterszene zu erleben, wie er sie schon im Osten gehasst hat.
Einer breiten Masse wurde er als „Motzki“ Anfang der 90er Jahre im deutschen TV bekannt. Doch anders als Heinz Schubert, dem Protagonisten des deutschen Paradespießers in Wolfgang Menges „Ein Herz und eine Seele“ der 60er Jahre, gelang es Holtz aus dieser Rolle wieder heraus zu schlüpfen. Und das dürfen wir vor allem der Bühne verdanken. Als Peachum brilliert er derzeit in Robert Wilsons „Dreigroschenoper“. Aber auch die Theater dürfen sich bei Jürgen Holtz bedanken genauso wie bei den Autoren und Regisseuren Hacks, Besson, Bernhard, Müller, Traglehn, Schleef, Wilson und vielen anderen.
Jürgen Holtz wäre nicht er selbst, wenn er in seiner Dankesrede nicht auch den heutigen Umgang der Gesellschaft mit Kunst und Kultur bemängeln würde. Denn eins gilt auch bei dieser Festveranstaltung: Immer, wenn Jürgen Holtz präsent ist, ist ein Höchstmaß an Anspruch im Raum.
Kommentar schreiben