Ein richtiger Name für das, was hier zu erleben ist, scheint noch nicht so recht gefunden zu sein. Und so wirkten die Verantwortlichen bei der Vorstellung ihres Hörgame im Berliner Deutschlandradio Funkhaus noch etwas unbeholfen. Es handelt sich dabei schließlich um etwas, was als Gattung im Radio noch nicht da gewesen ist. Vielleicht liegt ein Grund für die Zurückhaltung aber auch einfach darin, dass diese „Rundfunkneuheit“ für mobile Endgeräte gemacht ist und nicht ausschließlich im Radio stattfindet. Und bei so etwas ist die - durch Siebentage Regelung, Dreistufentests und Urheberrechtsklauseln - arg gebeutelte Hörspielgemeinde immer etwas verhaltener. Denn, wäre es nicht wunderbar, wenn sämtliche Wort- und Featureproduktionen aus der über 90jährigen Geschichte des Radios ganz einfach im Internet hörbar wären?
Der Damm scheint gebrochen, denn das erste Hörgame der Radiokünstler von Deutschlandradio Kultur spielt mit diesen Möglichkeiten im Netz. Und die Hörer können mitspielen. Allen voran die Leiterin der Abteilung Hörspiel Stefanie Hoster im Schulterschluss mit Dr. Carsten Busch, Leiter der Forschungsgruppe "Creative Media - Forschung und Entwicklung" und Verantwortlicher des GamesLab der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin.
Und so funktioniert’s: Freunde des Hörspiels verfolgen ab jetzt ein Jahr im Netz oder ganz klassisch am 26. Januar bei Deutschlandradio Kultur, um 21.30 Uhr, das Kriminalhörspiel „Blowback – Der Auftrag“. Die französische Autorin des Stücks Elodie Pascal erzählt eine fiktionale Geschichte. Sie spielt im Jahr 2047. Zwei Konzerne ringen um die Vormachtstellung am globalen Wassermarkt. Die renommierten Geophysikerin Josephine Emmanuel ist entführt worden. Sie soll die Geodaten zu riesigen Süßwasserreserven besitzen – den Schlüssel zur Rettung der Menschheit. Der ehemalige Agent Dereo Durand soll sie finden, doch ihre Spur verliert sich in einem mysteriösen Unterwasserhotel in der Nordsee. Dort, wo die Geschichte des Hörspiels endet, beginnt dessen Weiterführung im Netz. Zusammen mit der Journalistin Julia Khourim begibt sich der Hörer per App auf eine audiophile Entdeckungsreise. Hier ist der Zuhörer selbst gefragt und muss sich per Fingertipps auf dem Bildschirm durch die Level des „Hörgames“ navigieren, um am Ende den Fall zu lösen. Zu sehen ist nichts. Zu hören dafür umso mehr. Denn das Hörgame ist in Binärstereophonie programmiert worden, was dem Spieler via Kopfhörer das räumliche Hören und so die Orientierung in den verschiedenen Spielebenen ermöglicht.
Was so einfach erklärt ist, ist das Ergebnis eines monatelangen Entwicklungsprozesses. Die Liste aller Beteiligten ist fast unüberschaubar und reicht von der Ideengeberin über Dramaturgie bis hin zum Programmierer. Maßgeblich dabei war die akustische Umsetzung der Regisseurin Elisabeth Putz, die die Geschichte für Hörspiel und Game inszeniert hat. Ein Projekt das vom nationalen Hörfunk nicht allein gestemmt werden kann. Aber dafür gibt es die Kooperation mit der Hochschule. Das Gros der bürokratischen Hürden im Öffentlich-Rechtlichen hat sicherlich die Leiterin der Hörspielabteilung Stefanie Hoster mitsamt ihrer vornehmlich weiblichen Mannschaft überspringen müssen. Am Ende des Hörspiels im Radio muss der Zuhörer selbst aktiv werden, um sich durch ein Audiolabyrinth zu steuern. Hoster bezeichnet das gesamte Projekt sinnbildlich als „das Hinausschreiten aus dem Funkhaus. Denn, wenn Radiokunst Abteilungen dies nicht mehr machen, sind sie irgendwann tot“, so Hoster.
"Blowback" ist eine Verbindung von Hörspiel und Handy-Game. Auf den New York Festivals 2015 gab es dafür den Silver Radio Award in der Kategorie Best Innovation!
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