Im Konzerthaus wurde am Freitag, dem 18. August, auf eindrucksvolle Weise das diesjährige Musikfestival "Young Euro Classic" eröffnet. Ein Sprecher des Orchesters bat das Publikum im vollbesetzten Großen Saal des Konzerthauses am Gendarmenmarkt, sich im Gedenken an die Opfer des Terroranschlages von Barcelona zu einer Schweigeminute zu erheben. Diese Minute war - bis auf einen entglittenen Huster eines Konzertbesuchers - wirklich atemberaubend still. Eine Stille des feierlichen Trotzes gegen den Willen von erklärten Terroristen, unsere westliche Art des gesellschaftlichen Lebens infrage zu stellen, eine Haltung, der wir uns ganz entschieden entgegenstellen, wie Willi Steul, der Vorsitzende des Deutschen Freundeskreises Europäischer Jugendorchester, in seiner anschließenden Begrüßung versicherte. Weitere Grußworte fanden Monika Grütters, Staatsministerin für Kultur und Medien und Klaus Lederer, Senator für Kultur und Europa.
Zuvor wurde die Hymne des Festivals, die seit Jahren alle Young Euro Classic-Konzerte eröffnet, und die der Chefdirigent des Konzerthausorchesters, Iván Fischer, für unterschiedliche Besetzungen komponiert hat, von den Streichern des gastierenden Schleswig Holstein Festival-Orchesters aufgeführt, das dann - nach der Begrüßungszeremonie - noch durch Oboen und Hörner ergänzt wurde.
Und nun begann das eigentliche Programm mit Joseph Haydns Cellokonzert in C-Dur. Als Solist setzte sich der junge Franzose Bruno Philippe vor das Orchester, um mit bestechender Leichtigkeit dieses Konzert erklingen zu lassen, das nach seiner Uraufführung 1765 fast 200 Jahre lang verschollen war, bis es 1961 in der Radeninschen Sammlung in Prag wiederentdeckt wurde und sich seither großer Beliebtheit erfreut. Im Unterschied zu seinem bekannteren, aber auch etwas bräsigeren Schwesterwerk in D-Dur wirkt dieses Konzert unbeschwerter. Sein langsamer Mittelsatz wirkte in Bruno Philippes Interpretation wie ein musikalischer Kommentar zur vorausgegangenen Schweigeminute. Die schnellen Ecksätze waren in recht raschen Tempi von großer Virtuosität geprägt. Zu Recht erhielten die Musiker großen Beifall der Zuhörer.
Das Publikum wurde dann nach der Pause musikalisch gehörig herausgefordert. Auf dem Programm stand nun eine der gewaltigsten Kompositionen des vergangenen Jahrhunderts, die Turangalîla-Symphonie von Olivier Messiaën mit ihren geballten Klangmassen der Bläser und des Schlagzeuges, für das eigens 10 Musiker zur Verfügung standen. Messiaëns Werk polarisierte das Publikum. Nicht alle Zuhörer konnten oder wollten die gesamte knapp 1½-stündige Aufführung durchstehen. Aber alle anderen wurden durch eine makellose, gut durchgehörte und tadellose Aufführung belohnt. Besonders eindrücklich waren neben all der geballten Kraft der Bläser-Choräle gerade die ruhigen, stillen Passagen, die in nahezu ätherischer Ruhe der Streicher oder auch der Holzbläser die religiöse Einstellung des gläubigen Katholiken Messiaën in aller Schlichtheit entfaltete. Unter den Solisten war vor allem die chinesische Pianistin Di Wu zu bewundern. Aber auch die von Messiaën sehr geschätzte Ondes Martenot, ein Instrument zwischen Klavier und Synthesizer, beeindruckte in Thomas Blochs Interpretation.
Vor allem gilt der Dank aber dem Dirigenten Christoph Eschenbach, der mit unermüdlichem Elan die jungen Musiker zu Höchstleistungen anspornte, feinste Klangschattierungen erarbeitete und auch dem gewollten Pathos seinen Platz einräumte. Und am Schluß schien dann auch das Publikum in seinem fast nicht enden wollenden Applaus von der Größe und Feierlichkeit dieser grandiosen Komposition restlos überzeugt. Im Gespräch während einer Probenpause am Nachmittag sagte mir Christoph Eschenbach, der in all dem Klangstreß einen ganz ausgeglichenen und relaxten Eindruck machte, das sei der Konzentration und Begeisterung dieser jungen Musiker geschuldet, von denen womöglich noch kein einziger dieses Werk jemals zuvor aufgeführt hatte. Wie kann man den Sinn eines solchen Festivals besser bestätigen, das unter dem Motto läuft "Hier spielt die Zukunft"?
Nach diesem beeindruckenden Beginn muß man sich wohl um die musikalische Zukunft Deutschlands noch keine ernsthaften Sorgen machen.
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