Vermächtnis und Zukunftsauftrag

Veranstaltung in der Konrad-Adenauer Stiftung Berlin

Im Vorblick auf den 75sten Jahrestag des Attentats auf Adolf Hitler am 20. Juli richtete die Konrad-Adenauer-Stiftung in Kooperation mit der Stiftung 20. Juli 1944 in Berlin am 19. März 2019 eine Veranstaltung zum Gedenken an das historische des Widerstands gegen die Diktatur aus. Redner waren Prof. Dr. Norbert Lammert als Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung, der Vorstandsvorsitzende der Stiftung 20. Juli 1944 Prof. Dr. Robert von Steinau-Steinrück sowie Bundespräsident a.D. Joachim Gauck. 

Norbert Lammert, Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung
Norbert Lammert, Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung

In seiner Einführung ordnete Prof. Dr. Norbert Lammert das Datum des 20. Juli 1944 in die Folge der historischen Ereignisse ein, die im Jahr 2019 durch ihre runden Jubiläen eine besondere Bedeutung im Kontext des Widerstands gegen „unerträglich gewordene Verhältnisse“ enthielten. Dazu rechnete er im Jahr des 100sten Gründungsjubiläums der ersten demokratische Verfassung in Deutschland, den 70sten Geburtstag des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland und den 30sten Jahrestages des Mauerfalls. Dabei appellierte Lammert an die Haltung aufgeklärter und aufrichtiger Demokraten sich besonders an die Grundlagen eines demokratischen Systems zu erinnern, die im Jahr 1919 begonnen hat und keine 14 Jahre Bestand hatte. Der 20. Juli 1944 habe im Ausland  als Grundlage für die Wiederherstellung des Ansehens Deutschlands in der Welt große Bedeutung gehabt und damit seine Nachwirkung auch auf die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland gehabt. Das darin verbriefte Recht, dass die Bundesrepublik ein demokratischer und sozialer Bundesstaat ist, alle Macht vom Volke durch Wahlen und Abstimmungen ausgehe ist in Artikel 20 des Grundgesetzes niedergeschrieben: „Gegen jeden, der es unternimmt diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist“, so Artikel 20. Lammert schloss mit den Worten, dass das Bekenntnis dieses Staates und dieser Verfassungsordnung für ein selbstbewusstes, demokratisches System stehen müsse, dass sich selbst ernst nimmt und in dieses Ernstnehmen auch die Verpflichtung zum Eintreten für dieses System ausdrücklich einschließt.

Der Vorstandsvorsitzende der Stiftung 20. Juli 1944 Prof. Dr. Robert von Steinau-Steinrück pflichtete diesem Apell bei und stellte damit die Bedeutung des 20. Juli 1944 auch für den Schulunterricht dar. In Anbetracht einer Veranstaltung wie dieser, die sich auch an junge Menschen richtete, sei dies eine besonderer Aufgabe. Den Gastredner Joachim Gauck würdigte  er als jemanden, der selber die Erfahrungen des Unterdrücktseins in der Diktatur gemacht hat und es sich zur Aufgabe gestellt hat: „den Diktatoren dieser Welt die Arbeit nicht zu leicht machen zu wollen“, wie Gauck es in bereits in einer Rede von 1996 gesagt hat.

Joachim Gauck, Bundespräsident a.D.
Joachim Gauck, Bundespräsident a.D.

Joachim Gauck schätze die Möglichkeit an diesem Ort und zu diesem Anlass mit jungen Leuten zu sprechen als etwas Besonderes.  Den Widerstandskämpfern von 1944 steht er mit großer Bewunderung gegenüber, weil sie mit einer Art Mut, wie Gauck betonte, den damals bestehenden Verhältnissen entgegengetreten sind, denen allerhöchste Achtung zu zollen sei. Deshalb sei die Beschäftigung mit der Vergangenheit auch so wichtig. Mut sei dafür eine der wichtigsten Voraussetzung. Mit dem kritischen Blick auf heutige politische Karrieren, merkte er jedoch an, dass Mut derzeit für diese Form von Aufstieg jedoch nicht unbedingt förderlich erscheint. Zu sehr sei es Zeitgeist, sich in aktuellen politischen Prozessen nach Mehrheiten auszurichten, der als Antrieb die Richtung weist – mit all seiner Fehlbarkeit. „Dennoch faszinieren uns Menschen, die Mut beweisen“, so Gauck, und führen zu einer besonderen Verehrung der Märtyrer. Diese Verehrung mündet jedoch allzu oft in Ohnmacht, die die Menschen handlungsunfähig macht und sich nicht trauen lässt, Mut zu beweisen. 

 

Anhand seiner Biographie in der DDR stellte Gauck mit mehreren Beispielen dar, was Mut auch bedeuten kann. Auch, wenn er keineswegs die Situation in der DDR mit der im Dritten Reich vergleichen will. Gauck stellte das Thema Mut in direkten Bezug zu der Fragestellung an sich selbst: „Bin ich in der Lage Verantwortung zu übernehmen?“ „In jeder Diktatur erliegen Menschen einer Versuchung, sich für nichts zuständig zu fühlen“, so Gauck. Langfristig wirke dies jedoch wie eine freiwillige Einkehr in die Ohnmacht. Um dieser Versuchung zu widerstehen, sei die Beschäftigung mit der Vergangenheit wichtig und zeigt Möglichkeiten auf, für die Demokratie unverzichtbare, Verantwortung zu übernehmen und zu zeigen, wie unabdingbar es ist, die Wahl zwischen Ohnmacht und Verantwortung zu haben. 

 

 

Jürgen-M. Edelmann