In meinem Blog lesen, hören und sehen Sie in unregelmäßigen Abständen mehr über ausgewählte Ereignisse aus Kultur, Medien und Gesellschaft. Mit dabei sind Beiträge von Veranstaltungen, die ich als Reporter besucht habe. Unterwegs bin ich mit professionellem Equipment, so dass in der Regel sendefähiges Tonmaterial und druckfähige Bilder in den Blogbeiträgen eingesetzt werden. Ich freue mich über jede Verbreitung und Weiterleitung meiner Inhalte im Zusammenhang mit dem Hinweis auf deren Urheberschaft. Gastbeiträge sind willkommen. Für die kommerzielle Verwendung beachten Sie bitte die allgemeinen Bestimmungen des Nutzungsrechts und sprechen mich im Zweifel gern an. In meiner Twitter Timeline können Sie erfahren, womit ich mich gerade beschäftige. Ihre Anregungen nehme ich gern entgegen.
Ein Besuch
Wenn mir in den vergangenen zwei Jahren etwas ganz besonders gefehlt hat, war es tatsächlich dieses Gemeinschaftsgefühl, das sich ausbreitet, wenn Gleichinteressierte sich zusammen in einem geschlossenen Raum aufhalten. Wo ließe sich so etwas besser erspüren als auf dem diesjährigen Jazzfest in Berlin. Zumindest für Jazzfans sollte das gelten. Schließlich durfte das Event im Herbst 2022 wieder öffentlich stattfinden. So hoffen wir alle, nachdem Corona in den Hintergrund getreten ist.
Obwohl ich selbst, unabhängig von der Pandemie, einige Jahre nicht mehr als Besucher vor Ort war, hat das Treffen der Jazzfans für mich persönlich nichts von seiner Anziehungskraft verloren. Auch hat sich das Gemeinschaftsgefühl sofort wieder eingestellt, welches ich aus Vorzeiten kannte. Es war wieder da. Sofort nach dem Betreten des Hauses der Berliner Festspiele an der Berliner Schaperstraße. Dafür kann die Kultur nur dankbar sein.
„Playing the Haus“. Hier interpretieren das Duo Silvia Tarozzi und Deborah Walker Folk- und Protestsongs jenseits des Zuschauersaals.
Das Jazzfest 2022 fand vom 3. bis 6. November an verschiedenen Spielstätten in Berlin statt. Weitere Informationen unter https://www.berlinerfestspiele.de/de/jazzfest-berlin/programm/2022/uebersicht.html
Mi
20
Mär
2019
Im Vorblick auf den 75sten Jahrestag des Attentats auf Adolf Hitler am 20. Juli richtete die Konrad-Adenauer-Stiftung in Kooperation mit der Stiftung 20. Juli 1944 in Berlin am 19. März 2019 eine Veranstaltung zum Gedenken an das historische des Widerstands gegen die Diktatur aus. Redner waren Prof. Dr. Norbert Lammert als Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung, der Vorstandsvorsitzende der Stiftung 20. Juli 1944 Prof. Dr. Robert von Steinau-Steinrück sowie Bundespräsident a.D. Joachim Gauck.
In seiner Einführung ordnete Prof. Dr. Norbert Lammert das Datum des 20. Juli 1944 in die Folge der historischen Ereignisse ein, die im Jahr 2019 durch ihre runden Jubiläen eine besondere Bedeutung im Kontext des Widerstands gegen „unerträglich gewordene Verhältnisse“ enthielten. Dazu rechnete er im Jahr des 100sten Gründungsjubiläums der ersten demokratische Verfassung in Deutschland, den 70sten Geburtstag des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland und den 30sten Jahrestages des Mauerfalls. Dabei appellierte Lammert an die Haltung aufgeklärter und aufrichtiger Demokraten sich besonders an die Grundlagen eines demokratischen Systems zu erinnern, die im Jahr 1919 begonnen hat und keine 14 Jahre Bestand hatte. Der 20. Juli 1944 habe im Ausland als Grundlage für die Wiederherstellung des Ansehens Deutschlands in der Welt große Bedeutung gehabt und damit seine Nachwirkung auch auf die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland gehabt. Das darin verbriefte Recht, dass die Bundesrepublik ein demokratischer und sozialer Bundesstaat ist, alle Macht vom Volke durch Wahlen und Abstimmungen ausgehe ist in Artikel 20 des Grundgesetzes niedergeschrieben: „Gegen jeden, der es unternimmt diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist“, so Artikel 20. Lammert schloss mit den Worten, dass das Bekenntnis dieses Staates und dieser Verfassungsordnung für ein selbstbewusstes, demokratisches System stehen müsse, dass sich selbst ernst nimmt und in dieses Ernstnehmen auch die Verpflichtung zum Eintreten für dieses System ausdrücklich einschließt.
Fr
11
Jan
2019
Es herrscht gebannte Stille unter den Zuhörern in den Bankreihen der Kirche Zum Guten Hirten als die 97-jährige Margot Friedländer damit beginnt, aus ihrem Buch „Versuche, dein Leben zu machen: als Jüdin versteckt in Berlin“ zu lesen. Der Titel des Buches ist zugleich ein Auftrag, der sie lebenslang begleiten wird. Die damals 21-jährige Margot Bendheim bekam diese Worte als Botschaft ihrer Mutter im Jahr 1943 auf einem Zettel übermittelt. Die Mutter, ihren Bruder Ralph und die Familie wird sie von da an nie wieder sehen. Margot wird als einzige dieser Familie den Holocaust überleben. Margot Friedländer kam am 10. Januar 2019 auf Einladung der Gemeinde zu einer Lesung in die Kirche am Berliner Friedrich-Wilhelm-Platz. Sie dort zu erleben, war für alle Anwesenden ein großes Geschenk.
Mit klarer Stimme begrüßt die zierliche Frau die Gäste. Ihre Lesung beginnt mit einer detailgenauen Schilderung ihrer Situation vor dem Haus der Wohnung der Familie in der Skalitzer Straße in Berlin-Kreuzberg. Es ist der 20. Januar 1943. Der Tag, an dem ihre jüdische Familie von der Gestapo verhaftet und deportiert wird – und damit einer für den gleichen Tag geplanten Flucht zuvorkommt. Wie durch Vorsehung geleitet, kehrt die junge Frau an diesem Tag nicht in die Wohnung zurück. Teils aus Vorsicht, teils dem Verdacht gehorchend von einem Mann der Gestapo verfolgt worden zu sein. Für sie beginnen damit 15 Monate Leben im Untergrund.
„Es ist gut, dass ich Schweigen darf“ bemerkt Margot Friedländer, als sie bei ihrer nichtjüdischen Nachbarin, ein Stockwerk über ihrer eigenlichen Wohnung, Zuflucht am Tag der Verhaftung ihrer Familie findet. So, als wolle sie sagen: Es gab auch Nichtjuden, die mir geholfen haben, meiner Verhaftung zu diesem Zeitpunkt zu entkommen. Dieses Motiv begegnet ihr noch einige Male, auch weil sie sonst ihre unmittelbare Umgebung durch Mitwisserschaft hätte belasten müssen. Es folgen eindringliche Beschreibungen des über einjährigen Lebens im Berliner Untergrund, die sie sofort nachdem sie den gelben Stern von ihrer Kleidung entfernt hat, erleben wird. Als Nachweis hält sie sogleich einen originalen Davidsstern aus Stoff in die Höhe, während sie aus ihrem Buch liest. Den Zuhörern vor Ort macht sie mit diesem Aufzeigen sofort klar: All das was Friedländer in dieser Zeit erleben musste, ist wirklich geschehen.
Leben im Untergrund
Untergetaucht heißt für die junge Frau, dass sie dem zunehmenden Druck der Verfolgung nicht nachgeben darf. Sie lässt ihre Haare färben und bekommt neue Papiere. Doch die Zweifel, warum ausgerechnet sie von ihrer Mutter zurückgelassen wurde und als einzige aus der Familie davongekommen zu sein scheint, bedeutet für die 21-Jährige, sich unendlich schuldig zu fühlen. Dieses Schuldgefühl, der zunehmende Druck der Verfolgung und die Sehnsucht wieder mit ihrer Familie vereint zu sein, treiben sie nach einem Jahr und drei Monaten im Untergrund dazu, sich doch der Verhaftung durch die Gestapo zu stellen. Ausgelöst wurde dies durch eine Kontrolle auf dem Kurfürstendamm, nachdem sie den Luftschutzkeller nach einem der vielen Bombenangriffe auf Berlin mit einer Begleiterin verlassen hatte. Ab dem Moment der Verhaftung, fühlt sie sich wieder mit ihrer Familie und allen Menschen jüdischen Glaubens vereint, als sei sie doch wieder nachhause gekommen. Doch wird dies nur ein Gefühl bleiben.
Deportation und Vernichtung
Ihr Transport in das Lager Theresienstadt beginnt. Bereits auf dem Weg dorthin begegnen ihr unendliches Leid und grauenvolle Bilder. Immer wieder bewegt sie dabei eine Frage: „Wie viel kann der Mensch aushalten?“ Auch den zweiten Winter verbringt sie ohne ihre Eltern. Von 29.000 Einwohnern Theresienstadts sind noch 11.000 übrig. 18.000 sind von den Aufsehern des Lagers zu Tode geschunden worden. In einem von ihr vorgelesenen Auszug beschreibt sie das barbarische Handeln, dass viele von den Inhaftierten, durch schwere körperliche Arbeit so geschwächt waren, dass sie es nicht mehr bis zur Essensausgabe schafften. Auf dem Weg dorthin brachen sie zusammen und verhungerten.
Im Februar 1945 trafen Menschen, die nur noch Haut und Knochen waren, im Lager Theresienstadt ein. Die SS hatte sie am 27. Januar kurz vor der Befreiung des Lagers durch die russische Armee auf einen Todesmarsch getrieben. Sie kamen aus Auschwitz. Erst zu dieser Zeit begreift Margot Friedländer, dass sie ihre Mutter nicht mehr wiedersehen würde. Nach unendlichem Leid bleiben Margot Friedländer von ihrer Familie nur ein paar Fotos, eine Bernsteinkette und ein Adressbuch. Bernsteinkette und Adressbuch hat sie auch am Abend dieser Lesung bei sich und hält sie immer wieder hoch. Für alle als Zeichen.
Rückkehr nach Deutschland
„Sie fragen sich, warum ich nach 74 Jahren aus Amerika zurück nach Deutschland gekommen bin?“, so Friedländer. Die hochbetagte Frau hat eine Botschaft, mit der sie das Geschenk ihres langen Lebens und ihre Kraft begründet. Es ist ein Apell an die Menschlichkeit. „Der Mensch muss Mensch bleiben, denn schließlich haben alle das gleiche Blut in ihren Adern. Denn es gibt kein jüdisches, kein muslimisches oder christliches Blut“, so Friedländer. „So etwas darf nie wieder geschehen!“ und alle denen sie regelmäßig an Schulen und anderen Orten aus ihrer Geschichte vorliest, sollen dafür Sorge tragen, diese Botschaft weiterzugeben.
Nach Ende der Lesung umhüllt noch eine Weile ergriffenes Schweigen die Zuhörer im Kirchenraum. Doch dann setzt dankbarer Applaus ein. Es sind nicht nur die Bildhaftigkeit der Schilderungen und die räumliche Nähe des Erlebten – sozusagen direkt vor der Haustür – die die Zuhörer betroffen machen. Bei vielen Anwesenden ist es die Erkenntnis darüber, wie fragil eigentlich die Werte der Menschlichkeit in unserer Demokratie sind.
Nach einstündiger Lesung, steht Margot Friedländer noch für Nachfragen der Zuhörer zur Verfügung und berichtet von der Heirat mit ihrem Mann Adolph Friedländer kurz nach der Befreiung im Lager, über die Entstehung des Buches und ihren Umzug zurück nach Berlin. Auf die Frage einer jungen Zuhörerin: „Können Sie, nach all dem was sie erlebt haben, noch an Gott glauben?“ antwortet sie: „Oh, ja. Ich bin sehr gläubig.“
Jürgen-M. Edelmann
Do
24
Aug
2017
Di
28
Mär
2017
Interview:
Do
24
Dez
2015
Die Hektik des Alltags bestimmt unser Leben. Es ist jedes Jahr dasselbe: Heiligabend fällt auf den 24. Dezember und kommt doch für viele Menschen plötzlich. Schließlich ist der Monat Dezember mit zahlreichen Verpflichtungen gefüllt. Da stehen Abschlüsse bevor, und jeder möchte vor Ende des Jahres vieles erledigen. Für die Auswahl der richtigen Geschenke bleibt häufig wenig Zeit. So passiert es in all dem vorweihnachtlichen Stress schon mal, dass wir daneben greifen. Das kann fatale Folgen haben.
Der so schön verpackte Schnellkochtopf für die Partnerin wird zum Fauxpas, wenn die Beschenkte vermutet, dass mit der Gabe die Erwartung verbunden ist, der Schenkende wolle künftig das Essen pünktlich serviert bekommen. Auch Seife und Waschlotionen können zu Missverständnissen mit unangenehmen Folgen führen. Ein teures Parfüm übt nicht zwingend Kritik am Körpergeruch des Beschenkten.
Geschenke, die es zu vermeiden gilt, finden sich in jedem Benimmbuch: Messer, so heißt es, zerschneiden die Freundschaft, und Kakteen sollten nur diejenigen als Präsent bekommen, die selbst einen stachligen Charakter haben oder häufig vergessen, die Blumen zu gießen. Hochwertige Pelzmäntel, Diamantringe oder wertvolle Perlenketten hingegen sind kein Garant für liebevolle Beziehungen. Großzügigkeit hängt nicht vom Geldbeutel ab. Geschenke verlangen Einfühlungsvermögen und Sensibilität.
Worte und wertvolle Gaben
Aber, worum geht es uns eigentlich beim Schenken, und was symbolisieren die kleinen und großen Gaben? Und warum spielt besonders zu Weihnachten das Schenken eine so große Rolle? Im Christentum haben Geschenke zur Weihnachtszeit eine große Bedeutung. Das Lukasevangelium erzählt, dass es Hirten waren, die der Mutter Maria die Worte überbrachten: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens“. „Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen“, so die Bibel. Erst später kamen die Heiligen Drei Könige hinzu und überreichten Gold, Weihrauch und Myrrhe. Zu den ersten Geschenken der Weihnachtsgeschichte gehörten also Worte und wertvolle Gaben.
Bis heute hat die Weihnachtsgeschichte einen besonderen Zauber, weil sie auch vom Schenken handelt. Sie sagt viel über den Wert von Präsenten aus. Heutzutage wollen wir oft den hohen materiellen Ansprüchen des Schenkens und Beschenktwerdens entsprechen. So stürzen wir noch kurz vor dem Fest in die Betriebsamkeit der Einkaufszentren und Weihnachtsmärkte.
Die oft getroffene Vereinbarung „Wir schenken uns dieses Jahr nichts“ scheint dafür keine geeignete Gegenlösung. Häufig treffen sich dann genau diejenigen bei der Präsente-Jagd wieder, die zuvor einen solchen Kontrakt geschlossen haben. Im Ergebnis kommt’s dann zum SOS-Geschenk – wobei die Abkürzung für Socken, Oberhemd und Schlips steht.
Bleibt noch die Auswahl unter zahlreichen Gutscheinen. Diese gehören laut Statistik des Einzelhandelsverbands zu den beliebtesten Geschenkformen in Deutschland. Ein weites Feld bieten Drogerie-, Friseur- und Wertschecks für Hotels oder Wellnessanbieter. Auch Kino-, Restaurant- oder Einkaufsgutscheine für Bücher und Elektronikgeschäfte sind bei der Geschenkauswahl beliebt.
Allen gemein ist der Ausweis eines bestimmten Geldbetrags, von dem der Beschenkte eigentlich nicht erfahren sollte. Er könnte Rückschlüsse auf den Wert seiner Person ziehen. Bei solchen Einkaufsgutscheinen ist das schwer vermeidbar. Doch ist es nicht für Geber und Nehmer sowieso schöner zum Weihnachtsfest auch etwas in Händen zu halten, um es bewundern und bestaunen zu können?
Ein Ausweg aus der Ausgewogenheit
„Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft“, sagt der Volksmund. Aber auch große Geschenke können Freude bereiten. Gerade, wenn – wie zu Weihnachten – das gegenseitige Beschenken im Mittelpunkt steht. Oft kommt es dabei auf Ausgewogenheit an. Schließlich möchte niemand mit einem winzigen Präsent einem großen Paket gegenüberstehen. Es sei denn, es handelt sich um einen Brillantring. Einen Ausweg aus dieser Misere ist die Handarbeit, das Selbstgebastelte. Bibliotheken und Buchhandlungen bieten eine Menge Literatur zu diesem Thema. Das Angebot reicht vom Makramee bis hin zu selbst gemachten Pralinen.
Doch was ist wirklich wichtig für den, der gibt, und den, der erhält? Es heißt doch so oft: Schenken macht Freude. Und dieser Satz ist doppeldeutig zu verstehen. Was für den gilt, der gibt, wirkt – wenn es gelingt – auch für den, der nimmt. Nur ein gelungener Umgang mit dem Thema Schenken führt zum erwünschten Erfolg auf beiden Seiten.
Aber, wie soll das richtige Geschenk nun aussehen, und welche Bedeutung hat es? Schließlich steht hinter jedem Austausch auch das Bedürfnis nach Anerkennung. Diese kann in Worten, in Taten, aber auch durch Präsente geschehen. Im Mittelpunkt steht die Wertschätzung des Gegenübers und die Aufmerksamkeit für den Beschenkten.
Dies findet nicht nur durch einfache Worte und den Austausch von materiellen Dingen statt. Wichtig ist, was gesagt wird – und wie, und was geschenkt wird – und wie dies übergeben wird. Wer den Beschenkten gut kennt und ihn genau beobachtet, kann leichter einen Treffer landen.
Wer kleine Kinder hat, kann davon viel erzählen. Sie machen uns oft auf Dinge aufmerksam, die wir Erwachsenen nicht mehr wahrnehmen. Meine kleine Tochter brachte mich zum Staunen als sie sagte: „Papa, du wünscht dir doch immer einen Kugelschreiber?“ Wie kommt sie nur darauf, fragte ich mich. Nach kurzem Nachdenken lag die Antwort nah. Sie hatte beobachtet, wie häufig ich mein Schreibgerät suche. Als sie mir einen Kugelschreiber schenkte, ging mir das Herz auf.
Kreativität und Zeit
Für Kinder sind Weihnachten, Geburtstag und andere Geschenktermine Höhepunkte im Jahresverlauf und in ihrem Leben. Vielleicht ist Weihnachten auch deshalb für sie so ein so großes Fest, weil sie spüren, wie die Erwachsenen plötzlich alles mit Kinderaugen sehen und sich an ihre eigene Kindheit erinnern.
Schenken ist Ausdruck von Nächstenliebe, heißt es. Und gerade zu Weihnachten sind die Erwartungen an unsere Mitmenschen hoch. Das kann auch zu Enttäuschung führen, denn das Bedürfnis nach Liebe und Zuneigung ist häufig in der Vorweihnachtszeit sehr groß. Sich Zeit für die passende Geschenkauswahl zu nehmen, kann eine gute Lösung sein. Selbstgemachtes ist unersetzbar, und was früher bestickte Tischdecken oder umhäkelte Taschentücher waren, sind heute selbst entworfene Kalender oder das eigens verfasste Buch. Beim Fertigen dieser Artikel widmen sich Schenker mit Inbrunst dem Beschenkten. Sie geben das Wertvollste, was Menschen besitzen – Kreativität und Zeit.
Die schönsten Geschenke sind häufig die, die wir nicht erwarten, sagt man. Das kann der Besuch eines guten Freunds oder ein plötzlich hereinflatternder Liebesbrief sein. Dinge, die unser Herz erwärmen. Jeder Zweite in Deutschland möchte vor Weihnachten nicht gefragt werden, was für ihn unterm Weihnachtsbaum liegen soll.
Vielleicht sollten wir deshalb unsere Erwartungen an Weihnachten und die Geschenke niedriger halten. Das ist ein Trick, mit den Ansprüchen umzugehen. Schließlich kann derjenige, der nichts erwartet, auch nicht enttäuscht werden. Wem das zu streng ist, dem bietet das Formulieren eines Wunschzettels einen Ausweg. Dieser ist vor allem bei Kindern sehr beliebt. Auf diese Weise wird die Vorfreude auch gleich zur schönsten Freude.
Aber, welche Geschenke sprechen uns wirklich an? Sind es die Dinge, die wir erwarten oder sind es die wirklichen Überraschungen? Wichtig für viele ist zunächst einmal die Verpackung. Auch sie ist etwas Persönliches, und sie zögert die Spannung hinaus.
Eine schöne Verpackung allein kann aber sicherlich nicht alles sein. Hinter dem Anspruch, genau das Richtige für den anderen zu finden, sollte mehr liegen. Hilfreich ist dabei die Antwort auf die Frage, was wir uns als Geber eigentlich selber wünschen. Wer die Ansprüche dabei an sich selbst reduziert, ist bestimmt kein guter Schenker. In dem, was wir geben, liegt schließlich immer auch ein Teil von uns selbst. Eine wichtige Rolle spielt auch der Moment der Übergabe. Das Überbringen der Geschenke zu Weihnachten ist und bleibt ein wichtiger Vorgang. Besonders für Kinder spielen Weihnachtsmann und Christkind dabei eine wichtige Rolle. Sie sind die Gabenbringer und stehen in dem ein oder anderen Fall auch für einen religiösen Geschenkvorgang. Es wird so getan, als ob eine himmlische Macht die Dinge beschert. Die Geschenke liegen dann meist schön eingepackt und hübsch arrangiert unter dem Tannenbaum. Im Idealfall bleiben die tatsächlichen Spender anonym oder werden nur schriftlich oder mündlich angegeben. Auch so kann das richtige Geschenk gelingen.
Aufmerksamkeit und Wertschätzung
Natürlich macht es uns glücklich, wenn unsere Auswahl bei unserem Gegenüber ankommt und ihm Freude bereitet. Es bewirkt einen seelischen Zustand, der sich durch Ausgeglichenheit, Selbsterkenntnis und Achtsamkeit einstellt. Und häufig liegt die Erfüllung dieses Zustandes in tiefer Zufriedenheit, die sich in Dankbarkeit ausdrückt.
Wird das Schenken hingegen zur lästigen Verpflichtung, kann sich genau das Gegenteil einstellen. Die Annahme von Geschenken verpflichtet in vielen Kulturen zur Gegenleistung. Die Erwartung an einen schlichten Austausch gilt es besonders bei den uns nahestehenden Menschen zu vermeiden. Ein einfaches Rezept gibt es dagegen leider nicht. Schließlich ist es bei der Erwartung einer Gegenleistung egal, ob unsere Präsente zum Fest groß oder klein ausfallen – ob sie teuer oder preiswert sind. Und vielleicht ist es auch unwichtig, ob sie bestellt oder überraschend eintreffen.
Die Weihnachtsgeschichte erzählt davon, dass Geschenke sowohl aus Worten wie auch aus materiellen Dingen bestehen können. Ihre Wertigkeit wird gleichermaßen anerkannt. Wobei das eigentliche Geschenk das Fest selbst ist. Aufmerksamkeit und Wertschätzung haben dabei die größte Bedeutung. Wem es gelingt, diese für die Beschenkten spürbar zu machen, hat bereits das Passende gefunden.
Weihnachten ist das Fest der Liebe, und das bedeutet, es ist einzig und allein wichtig, aus welcher Perspektive wir die Dinge betrachten. Vollen Kaufhäusern und Märkten können wir dann ganz gelassen gegenüberstehen und der Hektik Einhalt gebieten. Wir sollten uns auf das konzentrieren, was uns an dem anderen wirklich wertvoll erscheint – wofür wir uns Zeit nehmen und was wir beobachten. Ganz plötzlich fällt dann auch die Auswahl des richtigen Präsents zu Weihnachten leichter. Jürgen M. Edelmann
Dieser Artikel erschien in der Weihnachtsausgabe der Berliner Zeitung vom 27.11.2015